Pat kneift die Augen zusammen und zeigt ein breites Lächeln. Wie ein Schuljunge grinst er über beide Ohren. Kameras ist er hier gewohnt. Und nicht nur die von den zahlreichen Touristen, die über den English Market marschieren und die Auslage von seinem Fischstand bewundern. Er erinnert mich an den Schauspieler Steve Martin. Wie er da steht, in seiner gestärkten weißen Kochjacke, seiner glänzenden Schürze und dem lustigen Hut. Er trägt dicke Gummihandschuhe und klobige Gummistiefel und doch gleicht es einer Uniform, die er mit Stolz trägt. Er führt das Familienunternehmen “K O’Connell Fishmongers” hier, inmitten der ehrwürdigen Hallen des English Market von Cork. Vor ein paar Jahren war die Queen auf ihrer Irlandreise hier zu Gast und natürlich gibt es auch bei Pat ein Bild von diesem einmaligen Besuch.
Stolz präsentiert er Shane den aktuellen Fang, hält Fische in die Luft, zeigt die klaren Augen und feuchten Kiemen der fangfrischen Ware. Lachs und Makrele sind nach wie vor die beliebtesten Fische bei den Iren. Dennoch bietet er auch außergewöhnliche Exemplare wie zum Beispiel Rochen. Man findet jedoch kaum kleine Fische in seinem Sortiment. Die Doraden von ihm stammen aktuell aus einer Zucht aus Frankreich. Grund dafür ist, dass man den Fischen hier in Irland Zeit zum Wachsen geben möchte. Kleinere Exemplare werden wieder zurück ins Wasser geworfen.
Pat könnte noch stundenlang weitererzählen, stattdessen müssen wir uns nach der Präsentation seiner prächtigen irischen Hummer von ihm verabschieden. Wir wollen an diesem Morgen in der beeindruckenden Markthalle noch mehr sehen, fotografieren und filmen. Wir besuchen Metzger, die halbe Schweine oder Rinder vor Ort verarbeiten und From Nose To Tail verkaufen. Es sind wieder Familienbetriebe, mehrere Generationen arbeiten hier Hand in Hand. Wir besuchen Gemüsestände, finden heimische Erdbeeren, neue irische Kartoffeln aber auch allerlei Exotisches.
Neben Fleisch, Fisch und Gemüse trifft man hier auch immer wieder auf Wurstspezialitäten. Und eine Black Pepper Sage-Bratwurst am frühen Morgen kann nicht schaden. Zumal sie in einem herrlich fluffigen Brötchen mit hausgemachten Saucen, frischer Paprika und geschmorten Zwiebeln serviert wird. Wem das zu viel ist, der kann auch einfach aus 10 verschiedenen Wurstspezialitäten “Sausage on a stick” ordern und bekommt für 2 € eine frisch gebratene Bratwurst auf die Hand. Nichts, das es hier nicht gibt – selbst einen eigenen Stand, der sich rein auf Bacon spezialisiert hat, finden wir. In der Haupthalle befindet sich auf der Balustrade ein Restaurant. Bei einem leichten Lunch mit Spezialitäten des Marktes kann man so entspannt das Markttreiben beobachten oder einfach nur sein Seafood oder Irish Beef genießen.
Toby Allen empfängt uns mit einem festen Händedruck und einem freundlichen Lächeln. Er ist Geschäftsführer der “Ballymaloe Cookery School”, die 1983 von seiner Mutter Darina Allen gegründet wurde. Sie ist die berühmteste irische Köchin, Autorin zahlreicher Kochbücher und Moderatorin von Kochsendungen. Auch ihre Tochter Rachel ist in ihre Fußstapfen getreten und hat sich als Kochbuchautorin und TV-Köchin einen eigenen Namen gemacht. Toby hat ursprünglich Informatik studiert, kam dann aber auch schnell zurück ins Familienunternehmen. Dieses gleicht mittlerweile einem Imperium.
Die Kochschule ist nicht bloß eine Kochschule. In 12 Wochen wird man hier von der Pike auf ausgebildet und soll danach leicht Fuß in der Gastronomie fassen können. Nicht umsonst wurde die Ballymaloe Cookery School unter die Top 10 aller Kochschulen weltweit gewählt! Gleichzeitig ist es eine fast autarke, auf biologischen Anbau spezialisierte Farm. Neben der Haltung von Kühen, Schweinen und Hühnern, baut die Familie Allen auf verschiedenen Feldern, in prächtigen Gärten und in einem eigenen Glasgewächshaus Obst und Gemüse an. Allein das Artischockenfeld umfasst eine Vielfalt von vier verschiedenen Sorten. Insgesamt setzt man jedoch auf Klasse statt Masse und baut nur kleine Mengen für den Eigenbedarf und den Verkauf im hauseigenen Hofladen an. Hier findet man außerdem Eier, Käse, Milchprodukte, frisch gebackenes Brot, Küchenbedarf und natürlich die zahlreichen Publikationen der berühmten Inhaber.
Rory O’Connell ist ebenfalls ein Familienmitglied. Zusammen mit seiner Schwester Darina gründete er die Ballymaloe Cookery School. Nach einigen Stationen im Ausland, unter anderem in London und San Francisco, und der Führung des “Ballymaloe House” Hotels, bildet er mit seiner Schwester die angehenden Köche aus. Heute jedoch nimmt er sich Zeit für uns und bereitet zusammen mit Shane klassisch irische Scones und Lemon Curd zu. Mit viel Humor führt er durch die bodenständigen Rezepte und gemeinsam genießen wir am Nachmittag das Gebäck. Trotz all der Berühmtheit und einer laufenden Klasse nehmen sich Darina, Toby und Rory Zeit für uns, informieren uns umfassend und berichten begeistert von ihrer Leidenschaft: Ballymaloe.
Wir sitzen in einer der Showküchen und sehen durch die leicht beschlagenen Fenster die Kühe auf der Weide. Eine eigene Photovoltaik-Anlage durchbricht die Idylle etwas, doch dient sie natürlich ebenfalls der Selbstversorgung. Das eigentliche Highlight ist jedoch sicherlich der Blick aus dem Wintergarten auf den Atlantik. Und wie der Ire zu sagen pflegt: Four seasons in just one hour – erleben wir bei unserem Besuch in der Ballymaloe Cookery School. Vom strahlenden Sonnenschein bei babyblauem Himmel über einen Hagelsturm und peitschenden Starkregen bis hin zu aufkommendem Wind und leichtem Nieselregen. Fünf Minuten später ist der Himmel wieder klar und wir können draußen weiter filmen.
So wild wie das unkontrollierbare Wetter hier an der rauen Atlantikküste, sind auch die bezaubernden Küchengärten von Ballymaloe. Hier wächst und blüht duftender Bärlauch, zarte Apfelblüten ranken sich an filigranen Bäumchen, Kräuter wuchern über den Boden und frisches Karottengrün reckt sich aus dem feuchten Boden. Wir probieren Rucola samt Blüten direkt von der Pflanze und sind begeistert: Nicht bitter, sondern mit scharfen Senfnoten. So wie Rucola eben schmeckt, wenn er frisch geerntet wird und keine langen Transportwege hinter sich hat. Eine Tradition ist der tägliche frische Salat in der Ballymaloe Cookery School. Jeden Morgen um 6:30 Uhr stehen die Kochschüler parat, um knackige Salatköpfe, würzige Kräuter und frisches Gemüse zu ernten, die dann pünktlich zum gemeinsamen Lunch auf den großen Esstischen landen.
Mit den vielen Eindrücken des Tages sitzen wir später bei unserem Fahrer Jimmy im Wagen. Wir sichten die ersten Bilder des heutigen Tages, tauschen uns aus und genießen den Anblick der untergehenden Sonne über Kinsale, der folgenden Station auf unserer Reise. Jimmy fährt stets ohne Navi und obwohl er aus Dublin kommt, scheint er hier jeden Ort, ja jede Kreuzung zu kennen und kann uns zu allem etwas erzählen.
Sowohl der English Market, mit seiner Vielzahl an Produkten und Geschäften sowie die Ballymaloe Cookery School mit ihrem Gesamtkonzept haben uns nachhaltig beeindruckt. In beiden Fällen geht es um die einfache, ehrliche und authentische irische Küche und die Vielfalt der Zutaten und Produkte. Die wir in den kommenden Tagen weiter kennen lernen werden…
Alle Artikel meiner Irland-Rundreise:
IRLAND – TAG 1: FLUG NACH DUBLIN UND FAHRT NACH CORK
IRLAND – TAG 2: ENGLISH MARKET UND BALLYMALOE COOKERY SCHOOL IN CORK
IRLAND – TAG 3: IM BULMAN PUB IN KINSALE UND AUF DER RINDERFARM IN OLD HEAD
IRLAND – TAG 4: VON DER MILCHFARM BIS ZUM IRISCHEN CHEDDAR IM COUNTY CORK
IRLAND – TAG 5: VON LIMERICK UND ADARE BIS ZU DEN CLIFFS OF MOHER
Offenlegung: Zu der Rundreise durch Irland wurde ich von Kerrygold, Bord Bia und Tourism Ireland eingeladen. Die Erfahrungen und Erlebnisse sind meine eigenen Eindrücke.
10 Kommentare
Cat
26. April 2017 um 7:12Das ist ja sooooo toll!
Ich bin wirklich ein bisschen neidisch 🙂
Aber Dank deiner tollen Berichte, fühl ich mich fast als wäre ich dort!
Hab noch ganz viel Spaß!
LG Cat
Maja
26. April 2017 um 8:56Ganz lieben Dank für deine nette Rückmeldung, liebe Cat 🙂
Die Jungs
26. April 2017 um 7:43Wir sind jeden Tag wieder davon begeistert, wie schön diese Reise zu sein scheint. Ganz lieben Dank für Deine tolle Eindrückesammlung. Das verleitet zum Träumen und selber hin fliegen ?
Maja
26. April 2017 um 8:57Ganz lieben Dank für euer nettes Feedback! Es ist wirklich traumhaft schön hier!
nike
26. April 2017 um 20:07Ohhh, das kannst Du gerne noch ein bißchen länger machen. Wunderbare Abendlektüre. Hab weiterhin eine wunderbare Zeit, ich freu mich auf weitere Eindrücke Deiner Reise! <3
Maja
26. April 2017 um 20:28Hihi, mal sehen, wie lange ich das durchhalte 😉 Ich freue mich sehr, dass ich dich unterhalten kann!
Liebe Grüße
Maja
Susanne
26. April 2017 um 20:16Immer noch total verliebt in deine Fotos und Berichte. Ich mag auch mal wieder nach Irland.
Liebe Grüße aus der Pfalz!
Susanne
Maja
26. April 2017 um 20:27Das freut mich sehr, liebe Susanne! Ganz lieben Dank.
Viele Grüße
Maja
Julia
20. Mai 2017 um 9:17Ich lebe zwar in Dublin, komme aber wegen der Kinder seit einigen Jahren kaum noch in Irland herum. Dein Bericht macht mir richtig Lust auf einen Road Trip! Und Ballymaloe ist schon lange mein Traum. Hach! Darf ich deine Berichte im Irlandforum empfehlen?
(nur eine kleine Anmerkung: Rachel Allen ist die Schwiegertochter)
Maja
25. Mai 2017 um 12:08Hey Julia, super, vielen Dank für den Hinweis, das muss ich noch schnell anpassen. Rachel ist ja mit Isaac verheiratet.
Selbstverständlich darfst du meine Beiträge teilen – ich würde mich sehr freuen, wenn andere Leute daran auch Freunde finden und eine der Touren vielleicht nachmachen und die vorgestellten Orte besuchen.
Und Ballymaloe ist wirklich ein ganz wunderbarer Ort, ich drücke dir die Daumen, dass du es dort hin schaffst 🙂
Liebe Grüße
Maja