Hugh Fearnley-Whittingstall ist sowas wie der große Bruder von Jamie Oliver. Oder der nette Cousin von Nigel Slater.
Mit eigener Fernsehsendung, zahlreichen Kochbüchern und journalistischen Beiträgen, dem Restaurant “River Cottage” in Devon, England, einer eigenen Kochschule und einem großen, sehr großen Gemüsegarten.
Er ist der grüne Vorreiter der momentanen Bewegung, die sich für Nachhaltigkeit, Regionalität und Saisonalität einsetzt, er lehrt sie, er lebt sie und vor allem lebt er sie vor. Er möchte die Menschen zwar dazu bringen genau so zu leben, allerdings ist er dabei keinesfalls bekehrend oder gar missionierend. Er ist einfach der nette sympathische Typ von nebenan, der uns etwas über den Anbau von Gemüse, der Aufzucht von eigenem Vieh und den Umgang mit unseren Ressourcen erzählt, ohne dabei dem Klischee des Birkenstock-tragenden Körneressers mit Batik-Klamotten zu entsprechen. Genau deswegen ist er wohl auch in seinem Heimatland so erfolgreich mit dem was er tut.
Täglich vegetarisch –Die schönsten Rezepte aus dem River Cottage*
von Hugh Fearnley-Whittingstall
aus dem AT Verlag
Endlich kommen wir nun hier auch in den Genuss seiner schönen Bücher. Der AT Verlag hat als erster dafür gesorgt, dass einer der bisher erschienenen River Cottage Titel nun auch endlich auch auf Deutsch erhältlich ist. Mit “Täglich vegetarisch” ist es auch direkt ein absoluter Knaller-Titel geworden. Und er scheint hier auch einigermaßen erfolgreich zu laufen, halte ich doch bereits die 3. Auflage 2013 in den Händen.
Ein kleines Manko ist der deutsche Titel und die nicht ganz gelungene Übersetzung. Im Englischen Original lautet der Titel “Veg every day” oder “Everyday veg”. Veg steht in diesem Fall jedoch nicht für veggie (=vegetarisch), sondern für vegetables (=Gemüse). Im Grunde möchte das Buch eine Gemüseküche vermitteln und dazu anregen jeden Tag Gemüse zu essen. Gemüse für jeden Tag sozusagen.
Fleischersatzprodukte, wie man sie vielleicht sonst aus vegetarischen Kochbüchern in Form von Tofu, Seitan oder Sojaschnetzeln kennt, sucht man hier jedoch vergeblich, ebenso wie auf vegetarisch getrimmte Klassiker. Und das ist meiner Meinung nach auch ganz gut so.
Schon im ersten Satz des Einleitungskapitels stellt Hugh klar, dass es sich bei diesem Buch um ein Gemüsekochbuch handelt. Er selber sei kein Vegetarier, sein Gemüsekochbuch enthalte aber eben auch kein “Stückchen Fleisch oder Fisch”. Sowohl Nicht-Vegetarier, Flexitarier als auch Vegetarier dürften dadurch bei diesem Titel auf ihre Kosten kommen.
Und selbst für Veganer ist etwas dabei – durch ein spezielles Symbol mit einem “V” sind solche Rezepte gekennzeichnet, die komplett vegan sind oder durch minimales Anpassen (z.B. von Honig oder Senf) vegan umgewandelt werden können. Herz, was willst du mehr?!
Der äußere Eindruck des Buches ist sehr gut: gebundener Einband mit rundem Buchrücken, in einem sehr angenehmen Format. Mit 416 Seiten und immerhin gut 1,4 kg ist es auch ein echter Wälzer.
Das Schriftbild ist recht simpel gehalten, die Rezepte sind sehr gut lesbar, ebenso die Titel und die Einleitungen zu jedem Kapitel. Leichte Variationen in der Schriftfarbe und ganz zarte Gemüseillustrationen lockern das Layout auf. Die Ausstattung mit dem dicken, matten Offset-Papier ist typisch “Englisch” und erinnert an die Jamie-Bücher. Kein Hochglanz, sondern rustikale Gemütlichkeit. Perfekt passend für diesen schnörkellosen Titel. Schade ist lediglich, dass es kein Lesebändchen gibt. Das hätte zur Wertigkeit und dem Umfang des Buchs gepasst. Schön ist hingegen, dass auf einen in meinen Augen unnötigen Schutzumschlag verzichtet wurde.
Nach dem Inhaltsverzeichnis folgt eine umfassende Einleitung mit Beweggründen für das Buch und all den Dingen für die Hugh sich so einsetzt und begeistert. Darauf folgen 10 Kapitel, die prall gefüllt mit unglaublich schmackhaften Rezepten sind: Ein Fest für Gaumen und Seele, Herzhafte Salate, Roher Genuss, Suppe satt, Brot und Co., Aus dem Vorratsschrank, Pasta, Reis und Co., Mezze und Tapas, Gebraten und gegrillt sowie Beilagen.
Daran schließen sich zwei kurze Kapitel mit den Themen Auf Vorrat und Vegetarisches zum Mitnehmen mit vielen Tipps und Tricks an.
Zum Schluss folgt ein sehr umfangreiches und immerhin 11 Seiten langes Rezeptverzeichnis, das nach Zutaten sortiert ist und das Auffinden von bestimmten Rezepten sehr einfach macht.
Die Rezepte selber sind bis auf ganz wenige Ausnahmen immer gleich aufgebaut: eine Doppelseite pro Rezept, davon ein ganzseitiges Foto und ein ausführlicher, aber präziser Rezepttext. Zu jedem der insgesamt um die 200 Rezepte gibt es einen kurzen Einleitungssatz mit Tipps, Hinweisen oder Abwandlungsempfehlungen. In der Zutatenliste ist immer angegeben, für wie viele Personen das Rezept ausgelegt ist. Die Zutaten werden in der Reihenfolge aufgeführt, in der sie auch im Rezepttext verwendet werden. Die Rezepte sind klar beschrieben, schnörkellos und dennoch ausführlich genug, um den einzelnen Arbeitsschritten gut folgen zu können. Absätze sorgen für eine bessere Lesbarkeit und gliedern die Abläufe.
Wie bereits erwähnt, findet man in diesem Buch keine Fleischersatzprodukte. Gemüse spielt hier schlicht und einfach die Hauptrolle, gerne in Begleitung von Pasta, Reis oder Hülsenfrüchten. Dabei gibt es keine klare Richtung ins Orientalische oder klassisch Englische, man findet einen bunten Mix verschiedenster Richtungen und Einflüsse, so dass für jeden Geschmack etwas dabei sein dürfte.
So findet man hier zum Beispiel nordafrikanisches Chachuka, feuriges Pintobohnen-Chili, magischen Brotteig, aus dem verschiedene Pizzen und Fladenbrote entstehen, Gazpacho, Maronensuppe mit Salbei, Kürbis-Walnuss-Brote oder eine Zwiebel Tarte Tatin. Zu jeder Jahreszeit finden sich die passenden Gerichte, auch wenn die Kapitelaufteilung wie oben gezeigt eine andere ist und nicht nach der Saison oder den Sorten geht.
Das Rezept für die “Ofengebackene Wurzel-Frittata” habe ich bereits nachgebacken und hier veröffentlicht: WINTERGEMÜSE-FRITTATA AUS DEM OFEN NACH HUGH FEARNLEY-WHITTINGSTALL AUS “TÄGLICH VEGETARISCH” (AT VERLAG)
Die Fotos in dem Buch sind zwar professionell entstanden, in ihrer Erscheinung aber doch sehr schlicht und einfach gehalten. Hier wird nicht viel Wert auf Schischi gelegt – die Gerichte stehen ganz klar im Mittelpunkt. Sie sind einfach, rustikal, frisch und lecker – genau das geben die Fotos auch wieder.
Priorität ist ganz klar die Saisonalität, die Echtheit und Nachhaltigkeit der verwendeten Produkte. Man benötigt keine nur schwer erhältlichen Zutaten, vieles von dem, was verwendet wird, findet sich sowie im eigenen Kühlschrank oder Vorratsschrank.
Ein Buch, das mich begeistert!
Ich koche sehr gerne und viel vegetarisch, bin jedoch kein Fan von Tofu, Seitan und Sojaprodukten. Ich möchte keinen Fleischersatz verwenden, sondern mit Gemüse, Reis und Pasta lecker und vollwertig vegetarisch kochen. Und genau das vermittelt dieses Buch. Ich habe es von vorne bis hinten mit gelben Klebezettelchen gepflastert, für all die Rezepte, die ich unbedingt nachkochen möchte. Ich bin ein großer Fan der Einfachheit und Gelassenheit der Rezepte und verwendeten Zutaten. Sie sind unaufdringlich, nicht missionarisch sondern stattdessen schlicht und bodenständig und treffen fast alle meinen Geschmack, was gar nicht so einfach ist. Die dezenten und ganz feinen Gemüse-Illustrationen lockern das Buch unheimlich auf und sind wunderschön.
Das Buch ist einfach sehr nahbar, man fühlt sich gut aufgehoben und heimelig und Hugh vermittelt dem Leser, dass man mit einfachen Dingen wunderbare Ergebnisse erzielt. Hätten wir jetzt auch so ein wunderbares Cottage mit einem großen rustiklen Holz-Esstisch wäre die Idylle perfekt.
Der Preis von 24,95 € ist mehr als gerechtfertigt für die knapp 200 Rezepte und die Wertigkeit des Buches. Auch eine wunderbare (Weihnachts-)Geschenkidee für liebe Menschen, die gerne frisch, einfach und saisonal kochen möchten.
Hugh Fearnley-Whittingstall
Täglich vegetarisch – Die schönsten Rezepte aus dem River Cottage*
AT Verlag, Aarau und München, 2012
ISBN: 978-3-03800-725-8
24,95 €
416 Seiten, 18,9 x 24,6 cm, Gebunden
rund 200 vegetarische Rezepte
Das Buch wurde mir für meine Rezension freundlicherweise vom AT Verlag unentgeltlich zur Verfügung gestellt.
Alle mit einem * gekennzeichneten Links sind Amazon-Affiliate-Links. Es handelt sich hierbei um eine persönliche Empfehlung. Nähere Hinweise zum Affiliate-Programm finden sich im Impresssum.
6 Kommentare
Katharina
14. November 2013 um 8:36Ja, ja, JA!!! Das Buch ist wirklich einfach großartig und ich habe quasi jeden Deiner Sätze "abgenickt". 🙂 Zustimmen musste ich auch beim (fehlenden) Lesebändchen – aber dann wieder…. es sind viel zu viele tolle nachkochwürdige Sachen auf einmal, da würden auch fünf Lesebändchen nicht reichen. 🙂 Mein Buch ist dementsprechend auch von vorn bis hinten zugepflastert mit Klebezetteln. Alle bisher gekochten Gerichte waren recht einfach – und wirklich gut.
Wieso hab ich das Buch erst jetzt gekauft?! Hmmmm…..
Maja
14. November 2013 um 9:04Hach, das freut mich aber!
Ich weiß auch gar nicht, warum ich es vorher noch nicht hatte. Dabei predigt Steph schon seit Jahren, wie toll Hugh eigentlich ist!
Maja Tschater
14. November 2013 um 10:36Ja – Ja und nochmals Ja! Ich habe mir das Buch gleich gekauft, als es auf Deutsch erschienen ist und ich LIEBE es! Ich mag dieses unschnörkelige, dieses nicht-auf-eine-Richtung-festgelegte-Essen! Ich mag seine Sendungen und seine Bücher und habe Kopf-Nickend vor Deinem Text gesessen! Witzigerweise sieht auch mein Kuchbuch so aus wie Deines, von vorne bis hinten mit Klebezetteln markiert! Vielen Dank für Deine tolle Zusammenfassung!Viele Grüße, Maja
Maja
14. November 2013 um 11:01Vielen Dank für deine Einschätzung, Maja! Freut mich, dass es dir genauso geht 😉
Querbeet
14. November 2013 um 13:36Ich liebe diesen Hugh einfach und seine Küche noch mehr!
Und dieser wunderbare Garten, einfach traumhaft!!!
Einige seiner Bücher haben schon einen Platz in meinem Bücherregal und dieses steht auch auf meinem Wunschzettel für Weihnachten 🙂
Mein Traum ist es, einmal an einem Kochkurs in seiner Kochschule teilzunehmen.
Liebe Grüße
Nicole
bajka
6. Januar 2014 um 21:44Danke, für die Buchvorstellung. Ich wollte mir das Buch schon bestellen (allerdings die englische Version). Ich konnte nämlich vor kurzem in einem Restaurant durch das Buch blättern und war sehr angetan. Lustigerweise lag das Buch in einem Steakhouse aus. Deine Buchbeschreibung hat mich darin bestätigt, dass dies eine meiner nächsten Kochbuchanschaffungen werden muss.